König Max I. Joseph von Bayern


Einen "Volkskönig" haben ihn die Historiker genannt. Es war aber auch nicht schwer, in Sachen Beliebtheit Punkte gutzumachen, denn kein bayerischer Regent wurde so gehaßt wie sein Vorgänger Kurfüst Karl Theodor, der erste aus der pfälzischen Linie der Wittelsbacher. Als dieser 1799 starb, ging ein großes Aufatmen durch München. Die Leute riefen "Er hat uns an die Österreicher verkaufen wollen". Tatsächlich war sich Karl-Theodor mit den Habsburgern schon einig geworden, ihnen Bayern zu überlassen, während er die spanischen Niederlande (damals unter Habsburger Herrschaft) erhalten sollte. Der Tausch platzte in letzter Minute durch ein Veto von Preußenkönig Friedrich den Großen. Wir Bayern haben es also einem Preußen zu verdanken, daß wir heute nicht Österreicher sind.


Als Max IV. Joseph mit seinem rundlichen Gesicht und seinem treuherzigen G'schau in München einzog, stand die Bevölkerung jubelnd Spalier, um den neuen Kurfürst zu begrüßen. Man kannte ihn schon von Besuchen bei Hof. Am besten drückt die damalige hoffnungsfrohe Stimmung eine spontane Aktion des Braumeisters Pschorr aus: Er durchbrach die Absperrungen, lief auf die Karosse von Max Joseph zu und streckte ihm die Hand mit den Worten entgegen: "Ja mei Maxl, daß'd nur grad da bist! Iatz geht alls wieder guat."


Max Joseph enttäuschte sein Volk nicht. Angehaucht von den Ideen der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" machte er Bayern zum liberalsten Staat in Deutschland. Verwaltung, Finanzen, Militär- und Schulwesen wurden reformiert. In einer Bayerischen Verfassung (1818) wurden Freiheit und Sicherheit von Person und Eigentum, Gleichheit vor dem Gesetz und in der Besteuerung und Religions- und Meinungsfreiheit zu bürgerlichen Grundrechten erklärt. Geistiger Vater dieser Verfassung war Graf Montgelas, damals Außen- und Finanzminister von Max I. Joseph (seit einigen Jahren erinnert ein modernes Konservendosen-Standbild am Promenadeplatz an diesen bedeutenden Staatsmann, den "Schöpfer des modernen Bayern"). Ergänzend regelten Edikte Max Josephs die Pressefreiheit, die protestantische Gesamtgemeinde und das Staatsbürgerschaftsrecht. Schon 1801 hatte Max Joseph angeordnet, dass auch Protestanten Bürger Münchens werden konnten, was vorher nur Katholiken vorbehalten war. Der erste Glückliche war der Mannheimer Weinwirt Johann Balthasar Michel.


Das außenpolitische Wirken von Max Joseph ist vor allem durch eine Schaukelpolitik gegenüber Napoleon gekennzeichnet. Er war in Zweibrücken in der Nähe der französischen Grenze aufgewachsen und trat, wie in dieser Region damals nicht unüblich, in die französische Armee ein, wo er es bis zum Oberst brachte. Diese Vorgeschichte hat sicherlich dazu beigetragen, daß er im September 1805 - kurz zuvor noch zusammen mit Österreich gegen Frankreich im Krieg - ein geheimes militärisches Bündnis mit Napoleon schloss. Als Gegenleistung setzte sich Napoleon dafür ein, daß Bayern Königreich wurde. Am Neujahrstag 1806 ritt ein Reichsherold durch die Stadt und proklamierte das Königreich Bayern. Aus Kurfürst Max IV. Joseph wurde König Max I. von Bayern. Eiligst wurden Reichsinsignien (Reichsapfel, Zepter und Krone) und ein Krönungsmantel nach französischem Vorbild angefertigt. Auf eine feierliche Inthronisation hat Max Joseph allerdings verzichtet. "Wir bleiben die Alten !", ließ er seine Freunde und die Münchner Ratsherren wissen.

Kaum war das militärische Bündnis geschlossen, folgten Krieg auf Krieg und Schlacht auf Schlacht: Oktober 1805 als Reaktion auf das Bündnis Österreich gegen Bayern und Frankreich, November/Dezember 1805 Frankreich gegen Österreich und Russland, 1806/1807 Frankreich gegen Preußen und Russland, 1809 Österreich gegen Bayern und Frankreich, 1812 Frankreich gegen Russland. Und bayerische Truppenkontigente immer mit dabei.


Kronprinz Ludwig, der Sohn von König Max I. Joseph, war von Anfang an gegen das Bündnis mit Napoleon. Von Italien aus, wo er überwiegend weilte, um die Schönheiten der römischen Antike zu studieren (und wohl auch andere Schönheiten des Landes), schrieb Ludwig emotional ergreifende Briefe an seinen Vater, in denen er diesen geradezu beschwor, doch von Napoleon abzulassen. Als Napoleon den Kronprinzen des öfteren herbeizitierte, um dem bayerischen Truppenkontigent seine Befehle zu übermitteln, fühlte sich Ludwig zum Sprachrohr Napoleons degradiert. Damals verstieg er sich zu dem Ausspruch "Wenn der Satan in menschlicher Gestalt wandelte, glaube ich, es wäre Napoleon".


Im Oktober 1813 kurz vor der Völkerschlacht von Leipzig beendete König Max I. das Bündnis mit Napoleon und trat der Allianz der bisherigen Feinde Österreich, Preußen und Russland bei. Karl Philip von Wrede war es, der damals mit den Alliierten verhandelte und den bayerischen Truppen die Kehrtwende um 180° erfolgreich vermitteln konnte. Deswegen wird er wohl auch in der Feldherrnhalle geehrt (rechte Figur), denn seine Leistungen als Feldherr waren eher bescheiden. Was bewog König Max I zu diesem Schritt? War es der Einfluss von Kronprinz Ludwig, war es die weise Vorraussicht seines Beraters Graf Montgelas oder war es der Verlust von 30.000 bayerischen Soldaten, die bei Napoleons Russland-Feldzug 1812 ums Leben kamen? Niemand kann das mit Sicherheit sagen. Jedenfalls befand sich Bayern am Ende auf der Seite der Sieger und bekam Franken und Schwaben dazu.


An bedeutenden Bauwerken hat uns König Max I. vorallem das Nationaltheater hinterlasse (1811-1818). Als das Theater bereit 5 Jahre nach der Vollendung ein Raub der Flammen wurde, sahen die Münchner Bürger das als Strafe Gottes an. Max I. hatte nämlich das Franziskanerkloster samt Kirche abbrechen lassen, um Platz für den Bau seines neuen Residenztheaters zu schaffen. Entsprechend eifrig haben sich die Bürger damals an den Lösch-arbeiten beteiligt. In einem Brief an den Bürgermeister beklagt sich der König: Die Münchner Bürger "haben sich beim Löschen nicht gerade überhastet" und "die meisten haben nur gegafft statt zu löschen". Was wir heute sehen, ist übrigens bereits die 3.Auflage, denn der Wiederaufbau von 1828 ist im letzten Weltkrieg wieder in Schutt und Asche gefallen.


Städtebaulich verdanken wir König Max I eine Erweiterung der Stadt nach Nordwesten (sog.Maxvorstadt) mit einer Verlängerung der Briennerstraße und den nach seiner 2.Gemahlin Karoline benannten Karolinenplatz. Die architektonische Harmonie der Anlage hat durch diverse Nachkriegsbauten leider stark gelitten. Der Obelisk in der Mitte des Platzes kam erst durch König Ludwig I. hinzu.


Nach dem Ende der Kriegswirren genoß König Max I. mehr und mehr den Aufenthalt in ländlicher Idylle am Tegernsee und fand Gefallen an Bergwanderungen. Dort wie in München suchte er immer die Nähe des Volkes, mischte sich unter die Bauern, Handwerker und Markfrauen und plauderte mit Ihnen im bayerischen Dialekt. "Ich bin nicht den ganzen Tag König...und ich bin glücklich, Augenblicke zu finden, wo ich es vergessen kann".


Max I. war der volkstümlichste aller bayerischen Könige - freundlich, gemütlich, umgänglich, volksnah. Er verstand sich nicht als Herrscher, sondern als treusorgender Vater des bayerischen Volkes. Ein König zum Anfassen - so ganz nach dem Herzen der Münchner. So war die Trauer - anders als bei seinem Vorgänger - groß, als König Max I. Joseph 1825 in der Wittelsbacher Gruft unter der Theatinerkirche beigesetzt wurde. Sein Herz ist in einer silbernen Urne in der Gnadenkapelle von Altöttung aufbewahrt. Die Urne trägt die Inschrift: "Das beste Herz".


Text © Rolf Magnus
aus der Vortragsreihe "Die Wittelsbacher"